Südostasien vertieft seine Beziehungen zu Russland

Jakarta/Moskau — In einer markanten geopolitischen Wende intensivieren wichtige südostasiatische Staaten ihre Partnerschaften mit Russland und signalisieren damit eine Veränderung im diplomatischen Kurs der Region. Indonesien und Malaysia, zwei der einflussreichsten Mitglieder der ASEAN, zeigen in den vergangenen Monaten eine zunehmende Annäherung an Moskau und betonen dabei wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie außenpolitische Unabhängigkeit.


Indonesien setzt auf Moskau statt G7

In einem bemerkenswerten Bruch mit dem westlichen diplomatischen Kalender verzichtete der indonesische Präsident Prabowo Subianto auf eine Teilnahme am G7-Gipfel im vergangenen Monat in Kanada. Stattdessen reiste er nach Russland, um das 75-jährige Bestehen der bilateralen Beziehungen zu feiern. Sein Treffen mit Präsident Wladimir Putin wurde als „intensiv, herzlich und produktiv“ beschrieben und umfasste Themen wie Handel, Landwirtschaft und Investitionen.

„Wir haben bedeutende Fortschritte in allen Bereichen erzielt“, erklärte Prabowo bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit Putin in St. Petersburg. Seine Wortwahl deutete auf eine strategische Verschiebung hin: Er lobte Russland und China als Länder ohne „Doppelstandards“ und bezeichnete Indonesien als „Verteidiger der Unterdrückten und Benachteiligten“.


Malaysias wiederholte Moskau-Besuche

In ähnlicher Weise stärkte auch der malaysische Premierminister Anwar Ibrahim die Beziehungen zu Russland – es war bereits seine dritte Reise dorthin innerhalb von zwei Jahren. Während eines Besuchs in Wladiwostok im Jahr 2024 lobte Anwar Putins „Vision und Führungsstärke“ sowie Russlands Durchhaltevermögen angesichts westlicher Sanktionen. Er bezeichnete Russlands „Soft Power“ als „bemerkenswert“ und erklärte, sie habe „weltweite Anerkennung und Bewunderung“ erlangt.

Beide Staatschefs haben ihre ursprüngliche Verurteilung von Russlands Invasion in der Ukraine im Jahr 2022 mittlerweile revidiert. Seit Mitte 2025 vertreten sowohl Indonesien als auch Malaysia offiziell eine neutrale Position, wobei ihre öffentlichen Äußerungen zunehmend Moskau-freundlich ausfallen – ein Spiegelbild strategischer Interessen.


Strategische Neuausrichtung bei schwindendem westlichem Einfluss

Fachleute sehen in dieser Entwicklung eine bewusste nicht blockgebundene außenpolitische Strategie, mit der ASEAN-Staaten ein Gleichgewicht zwischen Russland und China anstreben. Laut Dr. Ian Storey vom ISEAS–Yusof Ishak Institute in Singapur sei dies Ausdruck wachsender Frustration über eine zunehmend unzuverlässige US-Außenpolitik – insbesondere seit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus im Januar 2025.

Trumps neue Bemühungen, sich aus internationalen Institutionen zurückzuziehen, sowie seine Unterstützung für umstrittene Nahost-Verbündete haben den antiwestlichen Stimmungsumschwung in mehrheitlich muslimischen Ländern wie Indonesien und Malaysia weiter verstärkt. Eine aktuelle Studie des ISEAS-Instituts bestätigt, dass insbesondere die westliche Unterstützung Israels in laufenden Nahost-Konflikten das Vertrauen in westliche Führungsmächte untergräbt.


Wirtschafts- und Energiepartnerschaften im Aufwind

Trotz internationaler Sanktionen stieg der Handel Russlands mit den ASEAN-Staaten im Jahr 2023 auf einen Rekordwert von 22 Milliarden US-Dollar – ein Zuwachs von 14 % im Vergleich zum Vorjahr. Vor allem Indonesien und Malaysia treiben diese Entwicklung voran und setzen auf verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Rüstungsimporte und Infrastruktur.

  • Indonesien kooperiert mit einem russischen Investitionsfonds und plant gemeinsame Projekte im Umfang von 2 Milliarden Euro im Energie- und Infrastruktursektor.
  • Malaysia und andere ASEAN-Staaten steigern ihre Exporte von Haushaltsgeräten und Maschinen, um Lücken auf dem russischen Markt zu füllen, die westliche Unternehmen hinterlassen haben.
  • Vietnam reaktiviert sein ziviles Atomenergieprogramm mit russischer Unterstützung, nachdem es nach der Fukushima-Katastrophe eingestellt worden war.
  • Anfang dieses Jahres eröffnete ASEAN-Generalsekretär Kao Kim Hourn in Jakarta eine Ausstellung zur zivilen Nuklearkooperation zwischen ASEAN und Russland.

Regionale Neuausrichtung oder politisches Kalkül?

Während Politiker wie Prabowo betonen, dass sie mit „allen befreundet sein“ wollen, zeigen sich regionale Medien skeptisch. Die Jakarta Post bezeichnete die Neutralitätsbekundung Indonesiens kürzlich als „nicht glaubwürdig“ und interpretierte Prabowos Aussagen in Russland als verdeckte Kritik an den USA.

Sicherheitsanalyst Zachary Abuza sieht in Russland ein attraktives Modell für südostasiatische Eliten – ein Land, das „unabhängig handelt, dem Westen die Stirn bietet und versucht, die globale Ordnung neu zu gestalten“.


Ein multipolarer Moment

Angesichts der sich wandelnden globalen Machtverhältnisse scheinen die beiden größten muslimisch geprägten ASEAN-Staaten entschlossen, multivektorale Außenpolitiken zu verfolgen, die ihre Abhängigkeit vom Westen verringern sollen. Ob es sich dabei um eine dauerhafte Neuausrichtung oder um strategischen Opportunismus handelt, bleibt abzuwarten – doch fest steht: Moskau hat in Südostasien derzeit fruchtbaren Boden für seinen Einfluss gefunden. (zai)