KUALA LUMPUR – Der malaysische Premierminister Anwar Ibrahim hat die südostasiatischen Länder dazu aufgerufen, „mit Entschlossenheit zu handeln“ und ihre wirtschaftlichen Beziehungen untereinander zu vertiefen, um den zunehmenden globalen Handelskonflikten – insbesondere der neuesten US-Zollrunde gegen sechs ASEAN-Staaten – zu begegnen.
Bei der Eröffnung eines hochrangigen Treffens der ASEAN-Außenminister am Dienstag in Kuala Lumpur betonte Anwar die Dringlichkeit eines stärkeren innerregionalen Handels und Investitionsflusses. Handelsbarrieren und Zölle bezeichnete er als „geschärfte Instrumente geopolitischer Rivalität“.
„Da die globalen Bedingungen unsicher bleiben, ist es unerlässlich, unsere inneren Grundlagen zu stärken. Wir müssen mehr untereinander handeln, mehr in einander investieren und mit Entschlossenheit die sektorübergreifende Integration vorantreiben“, sagte Anwar.
Zwar nannte er die Vereinigten Staaten nicht explizit, doch seine Äußerungen erfolgten nur zwei Tage nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, neue umfassende Zölle in Höhe von 25 bis 40 Prozent auf Waren aus Südostasien zu verhängen – im Rahmen eines umfassenderen Vorgehens gegen angeblich „unfaire Handelspraktiken und verdeckte Umschlagstationen aus China“.
Zollschock: ASEAN reagiert auf Washingtons Überraschungsangriff
Die am 7. Juli angekündigten Zölle betreffen Malaysia, Indonesien, Thailand, die Philippinen, Vietnam und Kambodscha. Lediglich Vietnam konnte einen reduzierten Satz von 20 % aushandeln – ursprünglich waren 46 % vorgesehen. Die übrigen Länder streben vor Inkrafttreten der Maßnahmen am 1. August weitere Verhandlungen mit den USA an.
Die ASEAN, gemeinsam die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt, warnt, dass der plötzliche Zollschritt regionale Lieferketten und die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit gefährden könnte.
Ein Entwurf einer gemeinsamen Erklärung, der Reuters vorliegt und noch vor Bekanntgabe der Zölle datiert ist, äußert Sorge über „einseitige Zollmaßnahmen“ und warnt, diese seien „kontraproduktiv und riskieren eine weitere Zersplitterung der Weltwirtschaft“. Der Entwurf verzichtet bewusst darauf, die USA direkt zu nennen – offenbar ein Versuch, die diplomatischen Spannungen nicht weiter anzuheizen.
Dialog auf höchster Ebene
Die dieswöchigen Treffen in Kuala Lumpur ziehen hochrangige Delegationen der wichtigsten Dialogpartner der ASEAN an – darunter China, Japan, die EU, Indien, Russland und die Vereinigten Staaten.
US-Außenminister Marco Rubio, der sich auf seiner ersten offiziellen Asienreise befindet, will mit seinen Amtskollegen Gespräche führen, um Spannungen zu entschärfen und das durch die harte Zollpolitik der Trump-Regierung erschütterte Vertrauen wiederherzustellen. Auch Chinas Außenminister Wang Yi und Russlands Sergej Lawrow nehmen ab dem 10. Juli an den Gesprächen teil.
Die US-Zölle erfolgen vor dem Hintergrund wachsender Kritik an sogenannten „Transshipment“-Praktiken, bei denen chinesische Waren über ASEAN-Staaten umgeleitet werden, um direkte US-Zölle zu umgehen. Lavanya Venkateswaran, leitende ASEAN-Volkswirtin bei der OCBC Bank, warnte vor „zunehmender Unsicherheit in der Umsetzung“, insbesondere mit Blick auf Vietnam, das stark in globale Lieferketten eingebunden ist.
Keine Vergeltung geplantÂ
Trotz des Schocks betonen die ASEAN-Staaten, nicht mit Gegenzöllen reagieren zu wollen. Stattdessen setzen sie auf bilaterale Gespräche mit Washington, wobei sie zusichern, dass individuelle Abkommen keine Nachteile für andere ASEAN-Mitglieder mit sich bringen sollen.
Premierminister Anwar deutete an, dass die Region offen für Dialog mit den USA bleibe, der Fokus jedoch auf tieferer wirtschaftlicher Kooperation innerhalb des ASEAN-Verbunds liege.
„Nur wenn wir unsere innere Widerstandskraft stärken, können wir den geopolitischen Gegenwinden standhalten“, sagte er.
ASEANs nächste Schritte
Mit dem Inkrafttreten der US-Zölle in wenigen Wochen steht die ASEAN vor einer entscheidenden Weggabelung:
Soll sie die seit Langem geplanten, aber immer wieder verzögerten Bemühungen zur Handelsintegration beschleunigen – oder das Risiko einer weiteren Fragmentierung in einem zunehmend unsicheren globalen Umfeld eingehen?
Beobachter erwarten, dass die kommenden Tage in Kuala Lumpur die Kohäsion und strategische Ausrichtung der ASEAN stärker denn je auf die Probe stellen werden.
(zai)
Foto: Malaysias Premierminister Anwar Ibrahim