ASEAN-TREFFEN im Kontext globaler Veränderungen

KUALA LUMPUR – Die 58. ASEAN-Außenministerkonferenz (AMM) ging am vergangenen Dienstag in Kuala Lumpur mit einem gemeinsamen Kommuniqué zu Ende, das das Bekenntnis der ASEAN zu Inklusivität, Nachhaltigkeit und regionaler Zentralität bekräftigte – während sie gleichzeitig ein sensibles Gleichgewicht im Umgang mit globalen Großmächten wie China und Russland wahrt.

Unter dem Vorsitz Malaysias und dem Motto „Inklusivität und Nachhaltigkeit“ versammelte die Konferenz die Außenminister aller zehn Mitgliedstaaten. Sie markierte zehn Jahre seit der Gründung der ASEAN-Gemeinschaft und setzte den Ton für die langfristige Strategie ASEAN 2045.


Wichtigste Ergebnisse des gemeinsamen Kommuniqués

 

1. Stärkung der ASEAN-Zentralität
Der malaysische Premierminister Dato’ Seri Anwar Ibrahim eröffnete das Gipfeltreffen mit dem Hinweis auf die besondere Fähigkeit der ASEAN, „ihren eigenen Kurs mit Überlegung, Kohärenz und Zielstrebigkeit zu steuern“. Das Prinzip der ASEAN-Zentralität – also die Rolle des Blocks als Dreh- und Angelpunkt der regionalen Diplomatie – wurde im gesamten Kommuniqué mehrfach hervorgehoben. Diese Grundhaltung gilt als entscheidend für den Umgang mit Großmächten wie den USA, China und Russland.

2. ASEAN 2045: Vision als strategischer Leitfaden
Die Minister bekräftigten ihr Engagement für die Agenda „ASEAN 2045: Unsere gemeinsame Zukunft“, die einen Fahrplan für eine widerstandsfähige, inklusive und bürgerzentrierte Region vorgibt. Das Kommuniqué betonte die Notwendigkeit einer vertieften Integration in wirtschaftlicher, sicherheitspolitischer und sozio-kultureller Hinsicht sowie eine engere Zusammenarbeit zwischen Außen- und Wirtschaftsministerien zur besseren Bewältigung globaler Herausforderungen.

3. Wirtschaftliche Integration und innere Resilienz
Die Minister befürworteten eine stärkere intra-ASEAN-Handels- und Investitionsverflechtung. In einer Zeit zunehmenden globalen Protektionismus’ und geopolitischer Fragmentierung sei regionale Kohärenz und wirtschaftliche Eigenständigkeit von zentraler Bedeutung.

4. Offene, regelbasierte Strategie für den Indopazifik
ASEAN bekräftigte ihr Bekenntnis zu einer regelbasierten regionalen Ordnung im Rahmen der ASEAN Outlook on the Indo-Pacific (AOIP). Dieses Konzept fördert Zusammenarbeit und Offenheit, ohne sich explizit einem geopolitischen Machtblock zuzuordnen. Das Kommuniqué bekräftigte zudem die kontinuierliche Einbindung externer Partner über ASEAN-geführte Mechanismen.


Geopolitische Untertöne: Fokus auf China und Russland

Internationale Medien und regionale Analysten stellten fest, dass die Wortwahl des 32-seitigen Kommuniqués zwar überwiegend diplomatisch und zurückhaltend blieb, jedoch eine sorgfältig austarierte Haltung gegenüber China und Russland sichtbar wird – ein Zeichen wachsender Besorgnis angesichts sich verändernder geopolitischer Dynamiken:

  • China bleibt ein zentraler Wirtschaftspartner, insbesondere im Rahmen der Regionalen Umfassenden Wirtschaftspartnerschaft (RCEP). Doch jüngste maritime Aktivitäten im Südchinesischen Meer sorgen innerhalb der ASEAN für Unbehagen. Zwar wurde China im Kommuniqué nicht namentlich erwähnt, jedoch betonten mehrere Minister intern die Bedeutung der Einhaltung des Völkerrechts und der gemeinsamen Leitlinien aus dem ASEAN-China-Kodex von 2022.
  • Russland gegenüber blieb ASEAN seiner neutralen Sprache treu. Dennoch äußerten Diplomaten im vertraulichen Rahmen Sorgen über Russlands wachsende militärische Beziehungen zur Militärjunta in Myanmar und den anhaltenden Krieg in der Ukraine. Auffällig: Die Ukraine wurde im aktuellen Kommuniqué nicht mehr erwähnt – ein Umstand, den Beobachter auf den zunehmenden Einfluss Moskaus und Pekings zurückführen.

Reaktionen aus der Region und weltweit

Medien aus der ASEAN-Region lobten die Konferenz für ihren Ton der Einheit und des Pragmatismus. Die malaysische Zeitung The Star hob die Aussage von Premier Anwar hervor, ASEAN solle künftig „führen, nicht folgen“ – und sich als globales Modell für funktionalen Multilateralismus positionieren.

Internationale Beobachter reagierten vorsichtiger: The Japan Times und The Straits Times (Singapur) hoben den diplomatischen Drahtseilakt der ASEAN hervor – zwischen dem Festhalten an eigenen Normen und der Vermeidung allzu enger Anlehnung an westliche Positionen. Die South China Morning Post wiederum verwies auf die Zufriedenheit Pekings über das Ausbleiben direkter Kritik, warnte jedoch vor möglichen internen Spannungen innerhalb der ASEAN, die den Konsens bei sicherheitsrelevanten Themen erschweren könnten.


ASEAN bleibt neutral – aber nicht passiv

Die kommenden Monate gelten als entscheidend – mit Blick auf einen Wechsel im ASEAN-Vorsitz und die abschließende Überprüfung der ASEAN-Gemeinschaftsvision 2025. Die Ergebnisse der Konferenz in Kuala Lumpur senden eine klare Botschaft:
ASEAN will Neutralität wahren, aber nicht in Passivität verfallen. Die langfristige Widerstandsfähigkeit des Bündnisses hängt maßgeblich von interner Geschlossenheit und strategischen Partnerschaften ab, die die Grundprinzipien der Gemeinschaft achten.


Zusammenfassung der Kernaussagen

  • ASEAN bekräftigt Zentralität, Inklusivität und Vision 2045
  • Stärkere wirtschaftliche Integration und Zusammenarbeit innerhalb der Region
  • Vorsichtiger Umgang mit Chinas maritimer Präsenz und Russlands Einfluss
  • Regionale Medien loben Einheit; internationale Presse warnt vor diplomatischen Spannungen
  • ASEAN Outlook on the Indo-Pacific bleibt zentrales Leitbild für externe Zusammenarbeit

(zai)